Wahre Momente - Moriah, Thailand

 

Der Hilfseinsatz nach Thailand sah dieses Jahr anders aus als sonst: Wo wir sonst mit einem größeren Team im Slum in Bangkok verschiedene Social Enterprises besuchen, um von ihnen zu lernen, war nach einigen Hindernissen und Last-Minute-Corona-Erkrankungen ich die einzige Teilnehmerin aus Deutschland bei einem besonderen Einsatz an der Grenze zu Myanmar. Nach dem Militärputsch im letzten Jahr gibt es dort verschiedene Flüchtlingslager und die Lage ist prekär. Dr. Ash Barker, unser Partner vor Ort, hat deshalb dort an der Grenze verschiedene Schulungen und Trainings durchgeführt, um die Menschen vor Ort, viele von ihnen ehemalige Regierungsmitarbeiter:innen, zu ermutigen und zu stärken.  Mein „Aha“-Moment für den Grund, warum ich auf dieser Reise war, ereignete sich also an der Grenze zwischen Myanmar und Thailand: Ich saß im Raum mit all diesen unterschiedlichen Leuten aus verschiedenen Ministerien der demokratischen Regierung und wir begannen darüber zu sprechen und zu planen, was für praktische Schritte unternommen werden müssten, um ein Büro zur Bekämpfung des Menschenhandels direkt an der Grenze zu schaffen.

Ich denke, vor ein paar Jahren hätte ich das Gefühl gehabt, dass ich diejenige sein müsste, die die Initiative zum Aufbau dieser Organisation selbst in die Hand nimmt. Zum jetzigen Zeitpunkt war ich jedoch zum Glück reflektiert genug, um zu wissen, dass ich die Leute in Myanmar nicht eigenhändig retten kann und so hörte ich zu und schrieb meine Ideen und Vorschläge auf Englisch auf, damit dieser Traum vielleicht irgendwann verwirklicht werden konnte.

In den folgenden Tagen konnte ich Überlebende von Menschenhandel an der Grenze interviewen, die wollten, dass ihre Geschichten gehört werden. Hier ist eine davon für euch. Den Namen haben wir verändert.

ARAYA

Vor dem Militärputsch war sie eine bekannte Schulleiterin und ihr Mann Lehrer. Ihre Familie und sie selbst sind deshalb sehr prominent in der Frauenrechtsbewegung. Sie wussten, dass sie sofort fliehen und nach Thailand übersetzen mussten. Es gab einige Organisationen, die Lehrern und CDM-Leuten helfen konnten. Nachdem sie den Fluss überquert hatten, wurden sie einem thailändischen Polizisten übergeben, der einen landwirtschaftlichen Betrieb hatte.Sie durften zu keinem Zeitpunkt ausreisen. Von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends, arbeiteten sie auf den Feldern, schnitten und säuberten Fische und reinigtendas Grundstück - alles schwere körperliche Arbeit. Dafür verdienten ihr Mann und sie nur 3000 THB im Monat (83,13 Euro). Das Geldbekamen sieimmer verspätet, wenn überhaupt. Nach zwei Monaten entschieden sie, dass sie fliehen mussten. Sie hatten Informationen von Freunden erhalten, dass sie woanders in einer Drahtfabrik arbeiten könnten. Aber der Polizist ließ sie nicht gehen. Sie begannen Stück für Stück Dinge für ihre Flucht über die Mauer zu werfen. Dann standen sie stundenlang im Regen, um auf jemanden zu warten, der sie mitnimmt. Heute ist Araya in einer Fabrik angestellt, wo sie sich um die Arbeitnehmenden kümmert und ihr Mann arbeitet als Sicherheitsmann. Sie kann den Schmerzimmer noch fühlen, wenn sie an die schwere Arbeit denkt, die sie verrichten mussten.

Heute ist die 51 Jahre alt. Sie vermisst ihren Job als Schulleiterin schrecklich und sagte, dass es ihr am Herzen liegt, sich nicht nur um die Lehrenden, sondern auch um die Schüler:innen und ihre Familien zu kümmern. „Wenn Kinder wirklich eine aussichtsvolle Zukunft haben sollen, muss für die ganze Gesellschaft gesorgt werden” beschreibt sie. Ihre Hoffnung ist, dass sie eines Tages ihre Stelle an ihrer Schule in Myanmar wieder aufnehmen kann.