Mehr geben, mehr bekommen - Maria Wiedemann

 

Die Sonne scheint am Ostersonntag über Frankfurt und wir sitzen im Innenhof des Seniorenzentrums “Curanum” und binden Tulpen zu Sträußen. Eigentlich wollte ich nach dem Blumenbinden und Karten schreiben nach Hause gehen, um meine Masterarbeit zu schreiben, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich bleiben soll und es sollte recht behalten, denn ich habe am Nachmittag noch viel mehr bekommen, als ich gegeben habe. So einen Ostersonntag habe ich noch nie gefeiert.

Seit einigen Monaten konnten wir schon nicht mehr in das Seniorenzentrum, wo wir sonst jeden zweiten Sonntag Gottesdienst feiern. Deshalb ist es umso passender, als wir an Ostersonntag endlich wieder zurückkehren können. Wir haben alle eingeladen dabei zu sein und die Osterbotschaft nicht nur theoretisch zu hören sondern direkt praktisch umzusetzen. So feiern wir Gottesdienst mit vielen alten Liedern, die die Senior:innen aus dem Herz - und den Text aus dem Gedächtnis - heraus mit schmettern. Immer wieder begeistert es mich, wie sie die traditionellen Lieder und das Vaterunser verinnerlicht haben und diese trotz Sprachschwierigkeiten in unserem Gottesdienst hervorholen. Ruben predigt über “Die Überraschung von Ostern” und nach dem Gottesdienst setzen wir uns in den Hof, um Überraschungen für die Bewohnenden vorzubereiten. Besonders viele neugierige und dankbare Blicke der Mitarbeitenden des Zentrums werden uns zugeworfen und eine Person hat uns sogar sehr gerührt dafür gedankt, dass wir herkommen und sowas machen. Die Zeit beim gemeinsamen Blumenbinden habe ich sehr genossen. Es war eine bunte Truppe, mit der ich sonst so nicht zusammen gekommen wäre. Es war eine Mischung aus Menschen aus Frankfurt und Offenbach und sogar einen Hund hatten wir dabei. Auch für die Pflegenden haben wir Schokolade mitgebracht.

FÜR DAS VERTEILEN HABEN WIR DANN AN DEN TÜREN DER BEWOHNENDEN GEKLOPFT UND IHNEN EINE HANDGESCHRIEBENE KARTE UND BLUMEN GEREICHT.

Mich hat besonders bewegt, dass ich eine Frau wieder getroffen habe, die ich schon von vor sechs Jahren aus dem Curanum kannte. Ich habe mich gefreut, dass sie noch lebt und zum Gottesdienst kommt, gleichzeitig war ich aber auch traurig, dass sie schon so lange in der Einrichtung ist. So wie jeden Gottesdienst hat sie sich schick zurecht gemacht und als ich ihr die Blumen ins Zimmer gestellt habe, hat sie mich angestrahlt und gefragt, ob ich nächstes Mal wiederkomme.Die Begegnungen mit den Senior:innen lösen in mir und wahrscheinlich auch in ihnen mehr aus, als ich vorher dachte. Wenn man auf sie zugeht, ihre Nähe sucht, ihnen die Hand gibt, bekommt man oft ein warmes großes Lächeln zurück, dass einem mehr gibt als tausend Worte. Man merkt, dass sie auf ein Mal präsenter sind als zuvor, dass sie wacher sind und die Begegnung in ihnen etwas verändert hat. Wie schön und wie einfach es sein kann, anderen eine Freude zu machen, ist unglaublich und noch unglaublicher ist es, wie es mich selbst glücklich gemacht hat. Es muss nichts großes sein. Jeder kann mitmachen und es lohnt sich, seine Pläne dafür über Bord zu werfen.

DIESEN OSTERSONNTAG WERDE ICH SO SCHNELL NICHT VERGESSEN - ES WAR GENAU DAS RICHTIGE FÜR MICH IN
DIESEM MOMENT.
— Maria Wiedemann